Da gerade diese Grafik wiederholt in meiner TL auftaucht, die zeigen soll, welche Gebiete "die Palästinenser" verloren hätten (um zu zeigen, wie expansionistisch #Israel sei), ein kleiner Thread zur Einordnung.
1/x
Da gerade diese Grafik wiederholt in meiner TL auftaucht, die zeigen soll, welche Gebiete "die Palästinenser" verloren hätten (um zu zeigen, wie expansionistisch #Israel sei), ein kleiner Thread zur Einordnung. 141 comments
Zu 1947: Die UN legt einen Plan zur Aufteilung des Gebietes vor; die jüdische Bevölkerung stimmte mehrheitlich zu, die arabische (es gibt immer noch keine "Palästinenser") nicht. Ägypten, Syrien, Transjordanien, Libanon, Irak und Saudi-Arabien greifen 1947 gemeinsam Israel mit dem Ziel, den neu gegründeten Staat zu vernichten an, werden aber zurückgeschlagen. Zu 1967: Nachdem Ägypten die Straße von Tiran für israelische Schiffe sperrte und massive Streitkräfte an der israelischen Grenze auffuhr (auf der eigentlich demilitarisierten Halbinsel Sinai), greift Israel in einem Präventivschlag an; daraufhin erklären auch Jordanien und Syrien erneut Krieg. Später zieht sich Israel aus Sinai zurück, hält aber den Gazastreifen und das Westjordanland weiter besetzt. 2005 ziehen sie sich aus dem Gazastreifen zurück. Auch im besetzten Westjordanland überträgt Israel die Kontrolle über einige Gebiete an den (inzwischen existenten) palästinensischen Staat. Der Staat Palästina existiert seit 1988 auf dem Papier, seit 2005 de facto. 2007 führte ein Bürgerkrieg zwischen der gemäßigten Fatah und der radikalislamischen Hamas zur internen Spaltung; der Gazastreifen ist unter der Kontrolle der Hamas, die palästinensisch verwalteten Gebiete des Westjordanlandes unter der Kontrolle der Fatah. Bogen zurück zu den Karten: Sie sind im besten Fall irreführend, oder auch propagandistisch. Einen Staat Palästina gab es auf den ersten drei Karten nicht; also auch kein Verlust von Staatsgebiet. @Dingsextrem Vielen Dank für die Einordnung. Das hilft ganz extrem, diese komplexe Situation ein wenig greifbarer zu machen. Palästina als eigenständiger Staat hat sich spätestens mit der Ermordung von Rabin durch einen durchgeknallten Siedler erledigt. Mit dem Flickenteppich der heutigen palästinensischen Gebiete läßt sich kaum ein souveräner Staat gründen. Sinnvoll wäre es, m.E., diese Gebiete als autonome Regionen von Israel (wie z.B. Katalonien in ES), mit vollständigen Rechten ihrer Bewohner, zu integrieren. Der aktuelle Zustand wird, leider, immer wieder Konflikte wie derzeit provozieren. @cleverle @cleverle ich denke, der "Flickenteppich" war der Versuch, den Fehler früherer willkürlicher Grenzziehungen mit dem Lineal (postkoloniales Afrika) zu vermeiden und Gebiete mit mehrheitllich 'arabischer' oder 'jüdischer' Bevölkerung möglichst intakt zu lassen. Was aber, wie du sagst, milde ausgedrückt eine Herausforderung für Palästina ist, dort so etwas wie Staatlichkeit (Gewaltmonopol, Infrastruktur, etc...) zu organisieren. @cleverle Ich denke, an einer dauerhaften Zweistaatenlösung führt kein Weg vorbei, aber ich bin auch nicht schlauer, wie genau da Grenzen laufen sollten. Entweder Flickenteppich wie jetzt oder viele Menschen (Israelis wie Palästinenser), die auf der 'falschen' Seite landen oder massive Umsiedlungen (die auf beiden Seiten nicht klaglos hingenommen würden). @Dingsextrem Wobei, hatte die Tage ein ("leider* whatever, wie man es sieht) treffendes Ding über Abbas und die Autonomiebehörde gehört: er ist eigentlich auch nicht mehr viel als der Bürgermeister von Ramallah. Im Umkehrschluss: sollte die Hamas als "Gewinner" hervorgehen (und das wäre sie schon, wenn sie nicht zerstört ist und Israel unverrichteter Dinge sich zurückzieht), dann war die Fatah die längste Zeit dominant im Westjordanland. Ich denke, da ist was dran @Dingsextrem Und sollte die Hamas auch dort die Kontrolle vollständig übernehmen, dann wird das alles noch viel schlimmer als wir uns heute vorstellen können Ein friedliches miteinander sollte doch möglich sein. Solange „die Juden“ an allem Schuld sind und Israel nicht als Staat anerkannt wird, und solange, wie Golda Meir vor etwa 50 Jahren meinte, die Araber die Juden mehr hassten als sie ihre Kinder liebten - solange wird es keinen Frieden geben. (Und solange die rechtsextreme Regierung in Israel an der Macht ist, die ihr Volk nicht beschützen konnte.) Da gehe ich mit und ergänze, dass die mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnete und begonnene zwei Staaten Lösung ebenso zu Erfolg gebracht werden muss. Man kann nur miteinander auf diesem einen Planeten leben. @Dingsextrem Danke für die Einordnung! Wobei mir immer noch nicht klar ist: Was stellt der Zustand 2010 dar? Wieso z.B. weitere "Gebietsverluste" an der Seeseite des Gazastreifens? Und warum ist so wenig vom Westjordanland übrig? Dort gibt es ja isrealische Siedlungen. Aber deren Einflussbereiche müssten ja jeweils sehr groß sein?! @Dingsextrem vielen Dank für die ausführliche Darstellung. Die Einzelheiten vergesse ich leider immer wieder. Es ist so wichtig, dass wir uns immer wieder klarmachen, wie kompliziert die Situation ist und nicht auf einseitige, angeblich einfache Meinungen und Lösungen setzen Ein Nachtrag, da mehrmals der Einwand aufkam, daß in den grünen Gebieten ja trotzdem mehrheitlich 'Araber' wohnen, Staat oder nicht: Die arabischen Israelis bevorzugen mehrheitlich, in Israel zu leben, nicht in Palästina. Sie protestierten gegen den sog. Lieberman-Plan, der vorsah, Gebiete mit mehrheitlich arabischer Bevölkerung im Norden Israels zu tauschen mit Gebieten im Westjordanland, die mehrheitlich von Jüd*innen bewohnt sind. @Dingsextrem Natürlich sind die Karten pure Propaganda, insbesondere ist ja Gaza komplett siedlungsfrei heute, und gleichzeitig die Quelle des Terrors. Danke für Deine Aufarbeitung! Vielleicht habe ich das falsch im Blick, aber in der West Bank gibt es aber doch immer noch Landnahme durch jüdische Siedler, oder habe ich das falsch? (das würde aber natürlich mal gar nichts rechtfertigen und relativieren). @Exxo Zum Thema israelische Siedlungspolitik fühle ich mich derzeit nicht kompetent genug, mich dazu zu äußern. @Dingsextrem Nur weil es keinen formalen Staat gab, heisst es ja nicht dass da keine Menschen gelebt haben... @Double_A im israelischen Staat wohnen 'Palästinenser'. Zumindest auf dem Papier mit gleichen Rechten, aber zur konkreten Situation von in Israel (also nicht Palästina) lebenden Palästinensern weiß ich zu wenig, will daher nicht behaupten, daß sie de facto die gleichen Rechte haben. @Dingsextrem Und trotzdem gab es dort immer Menschen nennen wir sie einmal Palästinenser die immer weiter zurückgedrängt wurden. Anslog den Kurden. Auch hier gab es nie ein Kurdistan. Ich bin mir gerade nicht sicher, ob ich die Argumentation richtig verstehe daher eine Frage: Treffen die Karten im Kern nicht trotzdem die Wahrheit? Nimmt man die Karte von 1967, dann kann man doch davon ausgehen, dass im grün gekennzeichneten Gebiet vorwiegend arabischstämmige Vorfahren der heutigen Palästinenser leben, oder? Und diese scheinen in 2010 deutlich an Land verloren zu haben. Unabhängig davon, ob es einen zugehörigen Staat gab? @robertmx "Araber" (schwieriger Begriff, keine einheitliche Definition, keine homogene Gruppe) leben ja auch in Israel, auch wenn das Gebiet heute israelisches Staatsgebiet ist. Es werden auf den Karten zwei Ebenen vermischt; in Grün wird die Bevölkerungsverteilung einer (!) Ethnie dargestellt, in weiß ein Staatsgebiet ohne Aussage über die Ethnien der dort wohnenden Menschen. @robertmx Btw wollen die wenigsten 'arabischen Israelis', denen es in Israel vergleichsweise ökonomisch und gesellschaftspolitisch (Wahlrecht, Gleichberechtigung von Frauen, etc...) gut geht, einem palästinensischen Staat beitreten. Sie protestierten gegen den Lieberman-Plan (Gebietstausch mehrheitlich arabischer Städte/Siedlungen mit israelischen Siedlungen im Westjordanland), der sie zu Palästinensern machen würde. super, danke für die Einordnung. Erdogan hielt diese Karte glaube ich auch vor Kurzem hoch... @xtb @Dingsextrem in den Nachrichten, wenn es kommt, kommt es aber auch so, wie die Karten sind. Aber am Ende ist die Karte auch egal, es gibt ein großes Problem und das schon sehr lange. @Dingsextrem aktuell ist der Zuspruch für Israel verständlicherweise sehr groß. Dennoch sollte man beachten, dass Israel seit seiner Gründung mehr oder weniger Krieg führt, Palästina inzwischen durch seine Siedlungspolitik für sich beansprucht und ansich nur überleben kann, weil die NATO/USA das Land als Gegenpol zu den Muslimen schützt. Ansonsten zeigt sich die Regierung mit jeder Wahl etwas mehr rechts orthodox. @jimclark Israel führt seit seiner Gründung Krieg, weil es seit seiner Gründung angegriffen wird. @jimclark @Dingsextrem @frogslime @Dingsextrem eben nicht. Praktisch alle Kriege gehen auf das Konto der Israelis. Aber gut, Sie lesen es wie Sie es für richtig halten. Bleiben Sie gesund... @jimclark @Dingsextrem @Dingsextrem Ändert aber natürlich nichts an der Tatsache, dass die Karte oben reine Deppenpropaganda ist… @BenBen nuja, man kann den Konflikt bis zu Christus zurückverfolgen. Ihn in allen Facetten erschöpfend darzustellen wäre ein Lebenswerk und würde Bände füllen. @Dingsextrem Klar, vor allem könnte man dann mal über christlichen Antijudaismus reden, der faktisch die Ursuppe des heutigen Antisemitismus ist. Trotzdem ist die obige Darstellung imho einseitig, v.a. weil sie unterschlägt, dass es, auch wenn es keinen "Staat Palästina" gab, eben doch eine angestammte, arabische Bevölkerungsmehrheit gab und eben auch rechte, ultra-religiöse und fundamentalistische Israelis, die auch eher wenig Interesse an nettem Zusammenleben hatten… Since this thread got more attention than i expected: I wrote it late at night after some beers, some of the stated facts may not be rock solid or with missing context. So, in no way i can claim it's a 100% correct representation. The idea was not to write a comprehensive history of the conflict but focussing on mentioned map. @Dingsextrem Gute Einordnung. Um die Vorgeschichte vor der Abstimmung besser verstehen zu können (warum die Araber dagegen gestimmt haben), sollte man diesen Herrn auch kennen: https://www.deutschlandfunknova.de/beitrag/islam-und-faschismus-der-grossmufti-von-jerusalem @Dingsextrem Da… werden einige Details unterschlagen. Zum Beispiel das die Region im Arabischen Raum seit dem 15ten Jahrhundert durchgängig "Filastin" genannt wird, und sich von 1720 bis 1775 (länger als das "Protektorat") selbstständig verwaltet hat. Danke für die Einordnung und die lesenswerte Zusammenfassung! Erwähnenswert wäre noch, dass das Gebiet ursprüngl (vor der isr Staatsgründung) ohnehin sehr dünn besiedelt war, und die wenigen, meist selbst zugewanderten arab. Stämme vorwiegend nomadisch lebten (in Frieden m jüd Siedl). Der arab. ("palästinensische") Nationalism. wurde ja vor/nach Staatsgründung Israels von außerhalb, sprich anderen muslimischen Staaten geschürt - und vom Hitler-Freund, dem Großmufti von Jerusalem... Ein Argument schwirrt mir gerade im Kopf herum. Es gibt angeblich keine Festgelegten Grenzen für Israel ? Stimmt das ? Du bist ha gerade im Thema gut drin. @MikeHuckebein muss sagen, daß ich in der Siedlungsthematik zu wenig weiß, um mir eine fundierte Meinung erlauben zu können @Dingsextrem es ist aber nicht insofern falsch, als dass es ziemlich gut die schrumpfende bewegungsfreiheit der arabischen bevölkerung beschreibt. So viel Mühe für einen korrekten und bemerkenswerten Thread, der dann letzlich doch das Problem nicht berührt. Das Versprechen, allen (vertriebenen) Juden eine Heimat zu bieten, ist angesichts der weltweit zu erwartenden, weiteren Bevölkerungsenticklung, weiterer Immigration und der Territorialfläche Israels unrealistisch. Bezieht man dann noch nie aufeinander prallenden Mindsets der Volksgruppen ein, wird es immer (mehr) Auseinandersetzung geben. Danke dir für die ausführliche und wirklich gute Einordnung. Es gab vor vielen Jahren Hefte zur Politischen Bildung, eines mit dem Thema Neuere Geschichte Israels. (Stand der Forschung) Es deckt sich ziemlich mit deiner Beschreibung. @Dingsextrem ich glaube das dieser krieg auch ein wenig von israel proviziert, damit möchte aber nicht sagen das Hamas israel angreifen durfte, nur wenn man jahre lang in einem land lebt, wo man sich nicht richtig bewegen kann. Wenn ich richtig im radio zugehört hab (dsf kultur), dann hatte israel sogar vor noch mehr land vom gaza streifen zu nehmen. Dieses sollten die radikalen siedler bekommen. |
Zu 1946: Die Region heißt Palästina, ja. Von den Briten so genannt, nach dem antiken Palästina (das jüdisch war, btw).
Ein palästinensischer Staat hingegen existierte nicht. Das Gebiet war ein Protektorat (schöneres Wort für Kolonie) Großbritanniens.